In den vergangenen Jahnzeit-Ausgaben wurden die unterschiedlichen Themenschwerpunkte und Bereiche in der Jahnschmiede genauer vorgestellt. Hier gibt Antonie Höldrich, Koordinatorin Pädagogik & Psychologie, spannende Einblicke in ihren Fachbereich und in die tagtägliche Arbeit mit den Jahnschmiede Talenten im Bereich Pädagogik und Psychologie.
Jahnzeit: Ganz allgemein gefragt: Was verbirgt sich hinter dem Fachbereich Pädagogik und Psychologie im Einsatzfeld der Jahnschmiede?
Antonie Höldrich: Es verstecken sich in diesem Teilbereich der Jahnschmiede viele spannende Themenfelder. Der erste Tätigkeitsbereich beinhaltet, dass wir die pädagogische und psychologische Unterstützung gemeinsam mit unseren Sportpsychologen Fabian Daiß leisten. Gemeinsam begleiten wir die Spieler der Jahnschmiede in ihrem Alltag. Als weiteren Bereich ist die schulische und Internatsbetreuung sowie die Berufsbegleitung zu nennen. Zudem verbirgt sich hinter unserem Fachbereich das Thema Zusatzausbildung. Weitere Schwerpunkte sind die Unterbringung und die Elternarbeit sowie die Trainerentwicklung im persönlichen Bereich.
Beginnend mit der schulisch-pädagogischen Betreuung: Wie prägt sich diese im alltäglichen Arbeiten aus?
Hier ist es wichtig, mit den Schulen eine gute Zusammenarbeit anzustreben, um einen vertrauensvollen Kontakt zu den Schulen herzustellen und aufrechtzuerhalten. Konkret heißt das, dass wir uns um Freistellungen kümmern, Kooperationen mit den Schulen bilden und schulische Themen wie zum Beispiel Lernberatung unterstützen. Wir haben hier gegenwärtig zwei solcher Unterstützungsprogramme laufen. Zum einen gibt es für unsere U11 den Kurs “Lernen lernen”. Zum anderen haben wir für die Älteren, die sich in Abschlussklassen befinden, eine Kooperation mit Akademus. Sie sind ein Lernpartner, der einmal im Jahr ein Seminar “Einser Offensive” abhält, um unsere Spieler, die vor dem Abitur oder dem Schulabschluss stehen, bestmöglich vorzubereiten. Eine Nachhilfe ist für alle Spieler eine Möglichkeit, wenn der Anschluss in der Schule verloren geht. Gemeinsam bringen wir die Spieler bei unserem Kooperationspartner Lernpunkt unter und arbeiten gemeinsam an Besserung. Im beruflichen Kontext gibt es gegenwärtig eine solche Kooperation noch nicht, was aber mit Nachdruck angestrebt wird. Allerdings gibt es auch hier immer die Option, mit Lebenslauf und Bewerbungsunterlagen auf uns zuzukommen und sich von uns Tipps und Hilfe einzuholen.
Neben der pädagogischen Betreuung bietet ihr den Spielern eine psychologische Betreuung an. Wie kann man sich diese im konkreten vorstellen?
Die psychologische Betreuung und Unterstützung ist ein weiteres spannendes Themenfeld. Hier geht es um unterschiedliche Komponente und Signale, sei es Druck, Angst oder sonstige psychische Probleme. Gemeinsam mit Fabian Daiß führen wir ein Erstgespräch und versuchen herauszufinden, worum es sich genau handelt und wer von uns beiden der bessere Ansprechpartner ist. Dann begleiten wir die Spieler, führen Gespräche und entwickeln gemeinsam Konzepte, um gegen die jeweiligen Problematiken anzukommen. Falls die Spieler das möchten, begleiten wir sie auch auf dem Platz. Auch bei Problemen innerhalb der Mannschaft versuchen wir zu unterstützen und Blockaden zu lösen. Auch mit unseren Führungsspielern haben wir ein extra Programm, um sie auf diese spezielle Rolle vorzubereiten. Würde ich weglassen, weil das Programm noch nicht läuft.
Antonie Höldrich: "Es geht immer auch darum, sowohl auf die körperliche als auch auf die mentale Gesundheit zu achten und bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen."
Wie versucht ihr, in Eurem Bereich gemeinsam mit den Eltern der Spieler ein Miteinander zu erzeugen?
Bei der Elternarbeit wollen wir vor allem informativ aufklären, was im Bereich Pädagogik und Psychologie passiert, zum Beispiel mit einem Vortrag am Tag der Jahnschmiede. Aktuell arbeiten wir an einem internen Onlinebereich für Eltern, wo sie neben allgemeinen Informationen auch fußballspezifische Themen finden können. Ein Ziel ist natürlich für unsere Spieler ein Topspieler zu werden, und dabei geht es immer auch darum, sowohl auf die körperliche als auch auf die mentale Gesundheit zu achten und bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Die Zusammenarbeit mit Eltern ist daher enorm wichtig. Es benötigt viel Aufklärungsarbeit, damit auch mehr Spieler mit Problemen sich nicht scheuen, auf uns zuzukommen.
Viele Spieler der Jahnschmiede kommen aus ganz Ostbayern zusammen. Wie organisiert und unterstützt Ihr bei der Unterbringung der Kinder und Jugendlichen?
Aktuell unterhalten wir drei Wohngemeinschaften in Regensburg und haben einige Spieler im Pindl-Internat untergebracht. In den Wohngemeinschaften erwarten wir von den Spielern Eigenverantwortung und stehen bei Problemen helfend zur Seite. Der Austausch mit Spielern und Eltern ist uns auch hier wichtig. Hervorzuheben ist die Kooperation mit Thomas Walther, der Leitung des Pindl- Internats. Die Mitarbeitenden des Internats unterstützen unsere Spieler organisatorisch und schulisch sehr. Hierfür bin ich wirklich dankbar. Ohne diese vertrauensvolle Zusammenarbeit wäre eine solche Betreuung nicht möglich.
Nicht nur die Talente benötigen psychologische Unterstützung, auch bei den Trainern seid ihr unterstützend dabei. Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Wir bieten den Trainern Unterstützung bei verschiedenen pädagogischen, psychologischen oder auch persönlichen Themen an und organisieren interne Fortbildungen zu relevanten Themen wie z.B. dem Kinder- und Jugendschutz, Kommunikation oder Positive Psychologie im Coaching. Für uns ist auch hier wieder der Austausch wichtig, um zu verstehen, welche Anliegen die Kollegen haben, und um gemeinsame Lösungen zu finden. Konkret kann es so aussehen, dass ein Trainerkollege ein Thema einbringt - im persönlichen Bereich könnte das z.B. seine Körpersprache sein, dann würde ich ihn am Platz in einem Shadowing-Prozess beobachten und anschließend ein Feedback- und Reflexionsgespräch führen, aus dem sich neue Ziele ergeben, die dann wieder umgesetzt werden. Es ist ein Entwicklungs-und Lernprozess, der hier stattfinden kann, genauso, wie bei den Spielern auch. Es ist uns wichtig, dass Feedback als Möglichkeit der Entwicklung und Fehler als Lernchance betrachtet wird.
Die Jahnschmiede will mehr als nur eine fußballerische Ausbildung anbieten, sondern auch abseits des Platzes aktiv sein. Was steckt hinter der Idee der Zusatzausbildung?
Die Zusatzausbildung ist für uns ein wichtiges Thema, an dem wir aktuell intensiv arbeiten. Die Säulen des Ausbildungskonzeptes umfassen Fußball, Schule & Beruf, Gesundheit und Persönlichkeit Im pädagogisch- psychologischen Bereich schauen wir darauf, welche Schwerpunkte zum aktuellen Zeitpunkt relevant sind. Beispiele wären hierfür Umgang mit Social Media, Kinder- und Jugendschutz, Anti-Doping, Kommunikation oder Anti-Rassismus. Mit Blick auf Unruhen weltweit, ist es absolut zwingend notwendig, an diesen Themen zu arbeiten, damit auch künftig ein gutes, gewaltfreies und demokratisches Miteinander möglich ist. Es ist uns wichtig, die Werte Ambition, Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit in unterschiedlichen Facetten sichtbar zu machen und zu leben.
Aktuell erhält der mentale Leistungsfaktor immer mehr Einzug in die Debatten über den Leistungssport: Warum ist es so essentiell, auf die psychische Verfassung zu achten?
Oft werden viel Leistungsfaktoren in einem Atemzug genannt: Technik, Taktik, Kondition und Psyche. Gerade im Bereich Psyche lassen sich große Wirkungen erzielen. Ich freue mich mit Fabian Daiß einen Psychologen im Team zu haben, der den Fokus auf mentales Training und Achtsamkeit legt. Wir merken auch, dass die Spieler und Trainer offener für mentale Trainingsmethoden werden und freuen uns sehr darüber. Ich denke, es ist genauso wichtig auf die psychische wie auf die körperliche Verfassung zu achten. Auch in der Forschung wird sichtbar, dass Körper und Geist zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen. Die psychische Gesundheit kann einen erheblichen Einfluss auf die Leistung des Athleten haben, daher ist es wichtig diese ernst zu nehmen, zu fördern und zu unterstützen. Und natürlich ist es wichtig, dass unsere Spieler, wenn psychische Probleme auftreten sollten, Unterstützung bekommen.
Welche Charaktereigenschaften benötigt es, um auch mental und psychisch mit den Herausforderungen des Profi-Lebens umgehen zu können?
Puh, ich glaube das ist ein ganzer Blumenstrauß an Eigenschaften, die hier zusammenkommen. Motivation ist sicher eine wichtige Eigenschaft, um sich stetig zu verbessern, Disziplin gehört dazu, um Trainingsziele zu erreichen, Teamfähigkeit und Respekt gegenüber allen Beteiligten und Sinnhaftigkeit, das Verständnis wofür ich das Training und die Spiele auf mich nehme.
Ich denke auch, dass ein guter Umgang mit Stress und Druck wichtig sind, ebenso, wie ein guter Umgang mit Emotionen, gerade dann, wenn es „hitzig“ wird. Wir versuchen in Gesprächen auch Bewusstsein auf verschiedenen Ebenen zu fördern. Bewusstsein für mich selbst, für mein Denken und Handeln, für das Team und die Aufgaben, etc. Und was ich ebenfalls wichtig finde ist, einen Plan B zu haben, d.h. dass es ein Leben neben dem Fußball gibt und es sein kann, dass der Weg für die Spieler in den Profifußball nicht klappt. Auch hier ist uns wichtig, dass sich Spieler und Eltern darüber bewusst sind.
Antonie Höldrich: "Es ist wichtig grundsätzlich offen mit Problemen und Herausforderungen umzugehen und darüber zu sprechen."
Was können junge Menschen tun, um auf ihre mentale Gesundheit zu achten?
Mentale Gesundheit junger Menschen ist ein wichtiges Thema, das zum Glück auch in der heutigen Gesellschaft mehr an Bedeutung gewinnt. Ich glaube, es ist wichtig grundsätzlich offen mit Problemen und Herausforderungen umzugehen und darüber zu sprechen. Sich, wenn es nötig ist, Hilfe zu holen und auch mal nein zu sagen, wenn die eigene Grenze überschritten wurde. Dafür ist Selbstbeobachtung und Achtsamkeit hilfreich. Entspannung ist meines Erachtens auch ein wichtiger Punkt, um Stress abzubauen und den Geist zu beruhigen, z.B. mit Meditation oder Atemübungen. Uns ist es auch wichtig mit unseren Athletiktrainern Simon Hecht und Pepe Warminski im Austausch zu sein, denn Bewegung, gesunde Ernährung und Schlaft sind wichtige Parameter, um mental gesund zu bleiben. Neben dem Platz ist es auch wichtig, dass für andere Hobbies, Interessen, Freunde und natürlich Familie Zeit bleibt. Kurz gesagt also offen über Probleme reden, Zeit für Freunde und Familie, rechtzeitig (ohne Handy oder Tablet) ins Bett gehen, gesund ernähren und genug Bewegung.
Wie läuft die Zusammenarbeit innerhalb der Jahnschmiede ab? In welchem Verhältnis befindet Ihr Euch mit den Spielern, Trainern und Mitarbeitern der Jahnschmiede?
Also ganz grundsätzlich stehen wir im Austausch mit allen Beteiligten. Und ganz konkret kommt es auf die Situation an: Wenn ein Spieler auf uns zukommt, wird sein Thema vertraulich besprochen und nach Lösungen gesucht. Dabei kann es sinnvoll sein, Trainer, Eltern oder Mannschaftskollegen einzubeziehen. Und auch, wenn Trainer auf uns zukommen werden in einem Gespräch das Anliegen und mögliche Lösungen besprochen. Im Anschluss daran geht es in die Umsetzung.
Was muss künftig passieren, um auch psychische Themen besser im Blick zu haben?
Das Wichtigste ist ein offener Umgang - seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass die Gesellschaft offener für psychische Themen wird. Als Trainerin und Coach der Positiven Psychologie finde es wichtig, dass wir den Blick auf die Gesunderhaltung von Körper und Geist legen und präventiv arbeiten. Dieser Forschungszweig der Psychologie beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit der Gesunderhaltung und kann uns für die Arbeit mit jungen Sportlern viele nützliche Interventionen geben. So können positive Emotionen, der Einsatz von Stärken, tragfähige Beziehungen, Sinnempfinden und machbare Ziele dabei helfen, psychisch gesund zu bleiben. Ich denke, es gehört auch Mut dazu, sich den neuen Erkenntnissen zu öffnen, Veränderungen anzunehmen und proaktiv zu handeln. Immer wieder die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen, neue Wege auszuprobieren und optimistisch in die Zukunft zu schauen, ist für mich enorm wichtig, um mich zu entwickeln. Und ich denke, wir alle sollten dafür Vorbilder sein.