Am spielfreien Wochenende beleuchten wir mit Jahn Chef-Trainer Mersad Selimbegovic die aktuelle Situation. Im zweiten Teil des Interviews spricht der 39-Jährige über das Restprogramm, die Offensive und Defensive der Jahnelf sowie seine nun schon fast zwei Jahre als Chef-Trainer des SSV Jahn.
Mersad, im Saisonendspurt warten noch Bochum, Sandhausen und St. Pauli sowie das Nachholspiel in Kiel auf die Jahnelf. Wie bewertest du diese Aufgaben?
Mersad Selimbegovic: Darunter sind zwei Teams, die aufsteigen wollen und ein Team, das sich unbedingt retten will. Die Aufgaben sind ohnehin sehr schwer, am Ende der Saison ist jeder Gegner nochmal schwieriger zu bespielen. Wir haben aber gezeigt, dass wir in der Lage sind, gegen einen Gegner wie Hamburg etwas zu holen, der für mich nach wie vor den besten Kader in dieser Liga hat. Wenn wir gegen den HSV bestehen können, können wir überall bestehen, wenn wir das abrufen, was wir für unser Spiel brauchen. Jetzt liegt der Fokus aber erst einmal voll auf dem Spiel in Bochum. Wir wissen, dass da eine ganz schwere Aufgabe auf uns wartet. Bochum ist im Flow und will den Sack in Sachen Aufstieg zu machen. Aber wir werden uns voll dagegenstemmen.
Ein Manko dieser Saison ist die Torausbeute mit 31 Treffern. Woran machst Du das fest?
Bei dem einen oder anderen Spieler ist der Knoten leider noch nicht geplatzt, auch wenn sie immer wieder sehr gute Ansätze gezeigt haben. Auch Andreas Albers hatte eine Phase, in der er nicht getroffen hat. Man darf nicht vergessen, dass wir mit Kaan Caliskaner und André Becker zum Beispiel zwei junge Spieler aus der Regionalliga geholt haben, die einfach auch Zeit brauchen. Dazu kommt beispielsweise, dass Sebastian Stolze öfter verletzt war und auch Jann George, der Torgefahr mitbringt, anfangs lange verletzt gefehlt hat. Gut war, dass wir uns immer wieder Großchancen herausgespielt oder sie mit unserer Wucht und Dynamik erzwungen haben. Wir haben auch noch vier Spiele und ich hätte nichts dagegen, wenn sich der eine oder andere Spieler noch in die Torschützenliste eintragen würde (schmunzelt).
Wie arbeitet Ihr in der täglichen Arbeit an den Punkten Effektivität im letzten Drittel und vor dem Tor?
Wir machen im Training viele kleine Spielformen, in denen es ums Toreschießen geht. Am Donnerstag haben wir zum Beispiel eine Übung gemacht, in der die Spieler immer wieder in Überzahl vors Tor gekommen sind und die Dinger reingemacht haben. Dadurch können sie sich Selbstbewusstsein holen. Man kann auch viel darüber reden, aber das bringt nicht so viel, wie wenn man im Training 100 Bälle verwandelt und dann hoffentlich auch im Spiel einmal der Knoten platzt.
Sehr positiv sind derweil nur 40 Gegentore – die wenigsten der unteren Tabellenhälfte – und zehn Zu-Null-Spiele. Woran machst Du die stabile Defensive fest?
Alle arbeiten richtig gut gegen den Ball und wir agieren sehr kompakt. Mit Alexander Meyer und unseren Innenverteidigern haben wir zudem in letzter Instanz Spieler, die brenzlige Situationen auch immer wieder klären können. Es geht um Kompaktheit und Zusammenarbeit von vorne bis nach hinten. Das machen wir gut und lassen wenige Chancen zu. Bis auf wenige Spiele waren wir wirklich schwer zu knacken. Wir haben uns vor der Saison auch vorgenommen, weniger Gegentore zu kassieren, ohne dass unsere Torgefahr darunter leidet. Wenn man die Anzahl unserer Chancen sieht, ist das auch so, nur leider treffen wir nicht so oft wie die letzten Jahre.
Die Jahnelf verfolgt eine klare Spielidee. Weil sich die Gegner darauf eingestellt hatten, musste diese in den letzten Jahren aber auch leicht angepasst werden. Wo genau wurde dabei angesetzt?
Wir haben schon in unserem zweiten Zweitliga-Jahr gemerkt, dass sich die Gegner vermehrt auf unser Spiel eingestellt haben. Bälle wurden lang geschlagen und wir hatten keine Chance, wirklich ins Pressing zu kommen. Irgendwann haben uns die Gegner zudem mehr den Ball gegeben, nach dem Motto: Die können gut pressen, schauen wir mal, ob sie auch gut Fußball spielen können. Gegner wie Hannover oder St. Pauli haben plötzlich mit Fünferkette gegen uns gespielt. Das zeigt, dass wir uns Respekt verschafft haben. Parallel mussten wir uns aber auch weiterentwickeln, um auf solche Situationen die richtigen Antworten geben zu können. Im Spiel gegen den Ball reicht manchmal ein Spieler, um für Unruhe beim Gegner zu sorgen, wenn der Ball dann ohnehin lang geschlagen wird. Dann brauchst du hinten mehr Personal, um die ersten und zweiten Bälle gewinnen zu können. Wir wechseln auch mal vom 4-2-2-2 auf 4-2-3-1 und haben in beiden Grundordnungen gute Automatismen. Am meisten haben wir uns aber im Spiel mit Ball entwickelt. Wir können mehr und bessere Ballbesitzphasen gestalten, ohne die Bälle zu verlieren, die direkt für Gefahr sorgen.
Zum Saisonziel 40 Punkte fehlen noch fünf Zähler. Was stimmt Dich zuversichtlich, dass diese in den restlichen Spielen eingefahren werden?
Zum einen unsere Konstanz. Bis auf einzelne Phasen in manchen Spielen haben wir konstant gute Leistungen gezeigt. Und auch die zweite Halbzeit in Hannover und das Spiel gegen den HSV stimmen mich positiv. Da haben wir die Attribute gezeigt, die wir für unser Spiel brauchen. Wir wissen, wie schwer es ist, Punkte in dieser Liga zu holen. Es muss für die Gegner aber noch einen Tick schwieriger sein, gegen uns zu punkten.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Du bist am Ende Deiner zweiten Saison als Chef-Trainer des SSV Jahn. Was macht dieser Posten für Dich aus und was verlangt er andererseits auch von Dir ab?
Der Job fordert schon alles von einem ab. Ich glaube aber, dass wir das bislang im kompletten Trainerteam ordentlich gemacht haben. Für mich war es vom ersten Tag an eine Riesenehre, diese Chance hier zu erhalten und weiter bei der Entwicklung des Vereins mithelfen zu können. Wenn man sich diese Entwicklung der letzten Jahre vor Augen führt, dann ist diese einfach toll. Dennoch wissen wir auch, dass jede Saison knapp werden kann, denn wir bleiben unserer Linie treu und holen Spieler aus unteren Ligen, die wir entwickeln wollen. Denn selbst wenn wir mehr Geld in Spieler investieren würden, würde das keinen Erfolg garantieren. Was von den zwei Jahren leider auch bleibt, ist, dass eineinhalb Jahre davon ohne Zuschauer stattfanden. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und die Fans fehlen mir wirklich sehr. Mit dem Blick nach vorne hoffe ich, dass ich weiter meinen Beitrag zur Entwicklung des Jahn leisten kann. Uns muss dabei auch klar sein, dass wir an einem Punkt angekommen sind, wo jeder nächste Entwicklungsschritt schwieriger sein wird. Wir müssen uns bewusst sein, dass es auch mal Rückschläge geben kann, ohne dass wir dadurch unsere Linie verlassen. Mit Fleiß, harter Arbeit und Leidenschaft können wir den Verein weiter voranbringen.
Den ersten Teil des Gesprächs mit Jahn Chef-Trainer Mersad Selimbegovic könnt Ihr hier nachlesen.