Haben wir in der Januar-Ausgabe getitelt, dass das Erreichen des DFB-Pokal Achtelfinales eine Besonderheit sei, so muss im März bzw. April gar ein Superlativ bemüht werden. Zum ersten Mal überhaupt befindet sich der SSV in der Runde der besten acht Teams im Vereinspokal. Am 7. April 2021 (neuer Termin nach Absetzung des Spiels) wird der SSV Jahn gegen den SV Werder Bremen das Viertelfinale 2020/21 spielen, zum zweiten Mal (nach dem Erstrundenspiel gegen den FC Bayern München 2012/13) wird ein Pokalspiel des SSV Jahn auch live im frei zugänglichen Fernsehen verfolgbar sein. Hier geht es übrigens zur kompletten März-Ausgabe der Jahnzeit.
Am 20. August 2012 war die Partie gegen den späteren Pokalsieger FC Bayern nicht gerade ein „Krimi“, die Münchner kamen zu einem nie gefährdeten 4:0-Auswärtssieg und die größte Sorge des übertragenden ARD-Teams um Reinhold Beckmann und „Experte“ Mehmet Scholl war, ob die Stromversorgung um das alte Stadion, weniger als drei Jahre vor dem letzten Spiel im alten Jahnstadion, auch bis zum Schluss durchhalten würde. Dieses Problem wird der Sender „Sport1“ am 7. April 2021 im neuen Jahnstadion Regensburg nicht haben. Entgegen der Partie vor bald neun Jahren wird das Stadion nun aber nicht ausverkauft sein, obwohl dies unter „normalen“ Umständen zumindest der Fall sein müsste. Doch bekanntlich wird man auch im April ohne Zuschauer auskommen müssen und die Fans ohne die Möglichkeit, vor Ort dabei zu sein, wenn der SSV – unabhängig vom Ausgang des Spiels – vereinsintern Pokalgeschichte schreibt. Das ist insbesondere nach dem großartigen Achtelfinal-Erfolg gegen den 1.FC Köln sehr betrüblich, doch nicht zu ändern.
Mit dem SV Werder trifft der Jahn nun in der nächsten Runde auf einen noch erfolgreicheren Fußballverein als den der Kölner, vier Mal Deutscher Meister und sechs Mal Pokalsieger ist die beeindruckende Bilanz des Clubs von der Weser (dazu Europapokal-Sieger der Pokalsieger 1992), der aber nun auch bereits seit 2009 auf einen dieser ganz großen Erfolge wartet und im Vorjahr nur über die Relegation den Klassenerhalt sichern konnte. Mit dem Durchsetzen gegen Heidenheim konnte der zweite Bundesliga-Abstieg nach 1980 noch einmal verhindert werden und Bremen ist damit weiterhin die Mannschaft mit den meisten Bundesliga-Spielen seit 1963. Abgesehen von der einen Zweitliga-Spielzeit 1980/81 ist der SV Werder Bremen seit 1921 erstklassig. Im selben Jahr spielte in Bayern auch der damalige Turnerbund Jahn sein Premierenjahr in der höchsten Spielklasse, seit etwa 60 Jahren hat sich die „Erfolgsgeschichte“ der beiden Vereine dagegen durchaus weit auseinanderentwickelt. Während der SSV im Jahre 1961 zum letzten Mal aus der Oberliga abstieg feierten die Norddeutschen in Gelsenkirchen den ersten DFB-Pokalsieg durch ein 2:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern.
Weitere 20 Jahre zuvor, am 22. Juni 1941, hatten sich die Regensburger erstmals für die 1. Hauptrunde des damaligen Tschammer-Pokals als Vorläufer des DFB-Pokals qualifiziert. Wie Maximilian Filchner, Magisterstudent der Geschichte und Mittelschul-Referendar, im Vorjahr bei seiner Untersuchung der „Kicker“-Sammlung des Jahn Archivs ermittelte, gelang dies über einen nie gefährdeten 8:1-Sieg über die SG Reichsbahn Karlsbad (Karlovy Vary). Nach dem „Anschluss“ des Sudetenlands wurde die regionale Pokal-Ausscheidung zwischen Mannschaften aus Bayern, dem Sudetenland und dem ebenfalls 1938 von den Nationalsozialisten annektierten Österreich („Ostmark“) ausgespielt. „Jahn ist eine Klasseelf“ titelte das wie alle Medien zu diesem Zeitpunkt gleichgeschaltete Fachblatt „Kicker“ in seiner Ausgabe vom 24. Juni 1941 über dem Spielbericht, wie der wissenschaftliche Beirat des Jahn Archivs ermittelt hat. Während der doch mit einigen Ergänzungsspielern beim Zweitligisten aus Nordböhmen antretende SSV Jahn – so vertrat etwa Obermeier den etatmäßigen Torhüter Hans Jakob – durchaus zunehmend vom Kriegsgeschehen beeinträchtigt wurde, traten am selben Tag im Berliner Olympiastadion die Mannschaften von Rapid Wien und Schalke 04 zum Endspiel um die Deutsche Meisterschaft in Bestbesetzung an. Es wurde der große Tag des späteren Jahn-Erfolgstrainers Franz „Bimbo“ Binder, der mit drei Treffern in neun Minuten einen 1:3-Rückstand in ein 4:3 für Rapid verwandelte. Während 95.000 Zuschauer in Berlin am Finalspektakel und im ganzen Reich weitere Hunderttausende an den letzten Qualifikationsspielen des Tschammer-Pokals – weitere Millionen über den Rundfunk – durch den als Propaganda-Maschine missbrauchten Fußballsport trefflich abgelenkt waren, überfiel Hitler-Deutschland an diesem 22. Juni bekanntermaßen den Verbündeten Sowjetunion und läutete damit eines der grausamsten Kapitel der Weltgeschichte ein…
Doch zurück an dieser Stelle zur Pokalsaison 1941, die im Juli startete und im November mit dem Sieg des Dresdner SC über Schalke 04 endete. Aus Bayern konnten sich neben dem SSV Jahn der 1. FC Nürnberg, Schwaben Augsburg und die SpVgg Fürth qualifizieren, daneben die vier Wiener Vereine FC, Admira, Austria und Wacker, während die „Gaumeister“ der Saison 1940/41 – 1860 München, Rapid Wien und die NS-TG Prag, ein Verein, der 1945 folgerichtig wieder von der Bildfläche verschwand – gesetzt waren. Durch die kriegsbedingten Einschränkungen wurde in der ersten Runde nach regionalen Gesichtspunkten gelost: so waren die zahlreichen Derbys, darunter in Wien Rapid-FC, Austria-Wacker, in Berlin Hertha-Blau-Weiß, in Hessen Fulda-Offenbach, im Norden Eimsbüttel-Werder, HSV-Kiel oder im Süden Jahn-1860 kein Zufall. Am 12. Juli 1941 fand das Spiel im Jahnstadion trotz Zweifrontenkrieg nahezu in Bestbesetzung statt, der Ball sollte um jeden Preis weiterrollen, ein Stück „Normalität“ propagiert werden, wenngleich gerade 1500 Zuschauer beweisen, dass auch sehr viele Jahn-Freunde zwischenzeitlich andere Sorgen hatten. Der SSV unterlag dem Favoriten aus München durch Tore des späteren Jahn-Trainers Georg Bayerer, des in den letzten Kriegsmonaten gefallenen Ausnahmetalents Heinz Krückeberg, einem Eigentor von Ignaz Bäuml sowie drei Treffern des späteren ersten Fußball-Legionärs Ludwig Janda (AC Florenz ab 1949) mit 2:6. Die Jahn Tore der Elf von Hans Jakob erzielten Heiner Altmann und Franz Pesahl. Janda war später übrigens der erste Fußballer, der den DFB-Pokal sowohl als Spieler (1942 mit 1860) als auch Trainer (1956 mit dem KSC) gewann.
Nach diesem Ausflug in die erste Pokalsaison des SSV Jahn zurück zum Aufeinandertreffen der Rot-Weißen mit dem SV Werder im Jahre 2004. Hier leistete der Drittligist dem Double-Gewinner am 19. August lange Zeit Paroli. Erst in den Schlussminuten sicherte sich der schon wieder als Tabellenführer anreisende SVW durch Tore von Johan Micoud (62.) und Ivan Klasnic (Nachspielzeit) den Arbeitssieg beim von Trainer-Novize Mario Basler gut eingestellten Zweitliga-Absteiger. Diese Pokalsaison, in der Bremen erst im Elfmeterschießen bei Schalke 04 am erneuten Finaleinzug scheiterte, bleibt durch den Wettskandal (Paderborn gegen HSV) in allgemeiner Erinnerung, aus Jahn-Sicht vor allem deshalb, weil in diesem Jahr zum ersten und letzten Mal zwei Jahn-Teams für den Pokal qualifiziert waren. Die Profis als Zweitligist des Vorjahres, die Jahn Amateure als Finalist des Landespokals. Auch die zweite Mannschaft aus der Bayernliga scheiterte übrigens damals denkbar knapp an Zweitligist SpVgg Unterhaching.
Apropos: andere bayerische Mannschaften sucht man zwischenzeitlich auf dem Tableau der verbliebenen Pokalmannschaften vergeblich, der SSV Jahn ist als Letzter übrig geblieben. Das gilt übrigens für alle süddeutschen Bundesländer, wo letztmals 1982/83 nur noch ein Vertreter, damals der VfB Stuttgart, für das Viertelfinale qualifiziert war. So könnten dem SSV am 2. März möglicherweise weit über Ostbayern hinaus und von ungeahnter Seite die Daumen gedrückt werden.
Viele weitere Inhalte zum Pokalspiel gegen Werder Bremen (u.a Gegnervorstellung der Hanseaten und Interview mit Bremens Spieler Kevin Möhwald) lest Ihr in der neuen Jahnzeit im März. Die Ausgabe mit spannenden Inhalten (ausführliche Vorstellung auch von Heimspiel-Gegner Greuther Fürth am 17.03., Interviews mit Fürths David Raum, Infos zum virtuellen Jahnstadion Regensburg oder auch zur Kampagne "Play hard, learn smart 3.0" mit den Eckert Schulen u.v.m.) ist wie gewohnt in Zusammenarbeit mit den Partnern Valentum Kommunikation GmbH (Layout), die printzen (Druck) & iHeft (multimediale Ausgabe) entstanden.