Der Österreicher Dejan Stojanovic ist neu im Torwart-Team des SSV Jahn. Das Porträt zeigt die Geschichte eines Torhüters, der in seiner Karriere schon viel gesehen hat und nun den Wunsch hat, in Regensburg anzukommen.
Es war der 28. Mai 2010, ein Freitag. Dejan Stojanovic war in der Berufsschule, der 16-Jährige absolvierte gerade seine Ausbildung zum Bürokaufmann. Alles war wie immer. Erst Unterricht, mittags ging er in die Mensa zum Essen. Doch dann, mit einem Blick auf sein Handy, veränderte sich alles an diesem Tag. Der Sportdirektor seines Vereins, des FC Lustenau, hatte ihm eine SMS geschrieben. Er würde heute Abend im Tor stehen. Im Derby. Beim SC Austria Lustenau. Vor knapp 5.000 Zuschauern.
Zeit um nervös zu werden, blieb nicht viel Zeit. „Alles ging so schnell“, erinnert sich der Torhüter. Morgens in der Schule, abends zwischen den Pfosten. Szenen aus der Partie hat Stojanovic noch immer genau im Kopf. Er hat ein gutes Spiel gemacht, die eine oder andere Parade gezeigt. Am Ende stand ein 2:1. Das Derby war gewonnen, das Debüt des 16-jährigen Talents geglückt. Zwölf Jahre später sitzt Dejan Stojanovic im Funktionsgebäude des SSV Jahn Regensburg am Trainingsgelände am Kaulbachweg. Der Torhüter ist nach Regensburg gewechselt. Er kann mittlerweile auf bewegte Profijahre zurückblicken. Auf Höhen und Tiefen, auf Erfolge und Rückschläge, auf Phasen mit viel und wenig Spielzeit.
Der Wunsch anzukommen
Den SSV Jahn hat Stojanovic ganz bewusst als nächsten Verein ausgewählt. Er war auf der Suche – nach einer neuen sportlichen Herausforderung einerseits, aber auch nach etwas mehr Stabilität und Sicherheit für sich und seine Freundin. Im November erwarten die beiden ihr erstes Kind, einen Sohn. Stojanovic‘ Vorfreude darauf ist jetzt schon spürbar. Es ist der richtige Moment um zunächst einmal für zwei Jahre, so lange läuft sein Vertrag bei der Jahnelf, einen festen Anker zu haben. In den vergangenen Jahren hat er nämlich sehr häufig umziehen müssen, wegen fester Wechsel oder Leihen. Stojanovic hat das satt. „Es war mir wichtig, dass ich etwas Festes finde. Denn wenn du nie an einem Ort wirklich ankommst, ist es auch schwieriger, deine Leistung zu 100 Prozent abzurufen“, sagt er.
Und auch die sportliche Perspektive beim Jahn hat ihn angesprochen. Mit den Verantwortlichen des Jahn habe er sehr lange zusammengesessen, ihm wurden die Bedingungen gezeigt. Es wurde über die Abläufe beim SSV Jahn, über das familiäre Umfeld gesprochen, aber natürlich auch über das Sportliche. In Videosequenzen wurden ihm Stärken und Schwächen aufgezeigt – die Einschätzung war identisch zu Stojanovic‘ persönlicher. Grundsätzlich sieht er sich als kompletten Torhüter – „mit Luft nach oben und Entwicklungspotenzial“.
Früher war Stojanovic Stürmer, wie sein Bruder Stefan und sein Vater Aco, der in der Saison 1997/98 sogar Torschützenkönig in Österreichs 2. Liga geworden ist. Wahrscheinlich kommt aus dieser Zeit, dass der Torhüter auch mit dem Fuß gut mitspielen kann. Kurzzeitig hat Stojanovic sogar beides gespielt, Stürmer im Verein und Torhüter in der Auswahl, bis er sich letztlich für die Position zwischen den Pfosten entschieden hat. „Da war ich besser und es hat mir auch ein bisschen mehr Spaß gemacht“, sagt er.
Steiler Aufstieg
Es sollte die richtige Entscheidung sein. Nach seinem Profidebüt mit 16 Jahren spielte er sich in der darauffolgenden Saison im Tor des FC Lustenau fest. Es folgte der Wechsel zum Serie-A-Team des FC Bologna nach Italien. Er erlebte mit Bologna einen Abstieg und einen Aufstieg, viel Spielpraxis bekam er aber nicht und wurde erstmals für ein halbes Jahr zum FC Crotone ausgeliehen. Für mehr Spielpraxis wechselte schließlich er in die Schweiz, zum FC St. Gallen. Dort hatte er mit Daniel Lopar eine Vereinsikone vor sich, setzte sich in der zweiten Saison aber durch und war Stammkeeper.
Im Winter der Saison 2019/20 folgte der nächste Schritt, zum FC Middlesbrough in die zweite englische Liga. Dann kam Corona, die Zwangspause. Danach waren der Trainer und der Sportdirektor, die ihn geholt hatten, nicht mehr im Amt. Der neue Coach machte ihm schnell klar, dass er nicht auf ihn setzt. Ein Rückschlag für Stojanovic. Mit großen Erwartungen nach England gewechselt, fand er sich plötzlich auf der Ersatzbank wieder.
Erfahrungen in der 2. Bundesliga
Im Januar 2021 wurde er an den FC St. Pauli verliehen. Es lief hervorragend. In der Winterpause tief im Abstiegskampf gesteckt, spielten der Kiezclub und Stojanovic eine hervorragende Rückrunde und klopften am Ende sogar fast noch oben an. Der Keeper wäre gerne in Hamburg geblieben, musste aber zurück nach Middlesbrough, wo er wieder auf der Tribüne saß. Auf der Suche nach Spielzeit wurde er in der zurückliegenden Rückrunde an den FC Ingolstadt 04 verliehen. Am Ende stand der Abstieg und Stojanovic‘ Abschied.
Nun also Regensburg. Zu Beginn der Vorbereitung trainierte Stojanovic noch dosiert, war auch bei den ersten Testspielen noch nicht dabei. Nach einem kleinen Eingriff im Knie wollte er es behutsam angehen lassen und keine Reaktion des Knies riskieren. Inzwischen fühlt er sich aber wieder richtig fit und will schnell voll ins Training einsteigen und sich dann in den Testspielen vorbereiten auf die neue Saison. Die Rückrunde der vergangenen Saison, das merkte Stojanovic nach seiner Ankunft beim SSV Jahn schnell, ist bei der Mannschaft abgehakt. „So muss es auch sein. Der Fußball ist so schnelllebig, dass man immer im Hier und Jetzt sein und positiv nach vorne blicken muss.“ Er selbst ist auch positiv: „Wir haben ein paar Wechsel im Team, aber ich bin mir sicher, dass wir eine gute Saison spielen können“, sagt er. Den Jahn kennt Stojanovic bisher nur als Gegner. In den Gegneranalysen sei seinen Teams immer gesagt worden, der Jahn sei eine Mannschaft die nie aufgibt. Das hat Stojanovic von außen auch so wahrgenommen. „Für mich als Torhüter ist es auch wichtig, dass vor mir ein Team ist, das kämpft und alles reinwirft“, sagt er.
Laut auf dem Platz, ruhig daneben
Neben seinen fußballerischen Qualitäten will Stojanovic sich auch als Typ in die Mannschaft einbringen. Dabei ist er auf dem Platz ganz anders als neben dem Platz. Stojanovic wirkt sehr ruhig und sachlich, überhaupt nicht aufgeregt. Nach dem Training legt er sich gerne einfach mal hin, auch wenn ihn seine Freundin häufig doch zum Spazierengehen auffordert. Auf dem Platz aber wird er laut, pusht und ordnet seine Vorderleute mit klaren Kommandos. „Ich finde das wichtig, als Torhüter hat man schließlich das ganze Spiel vor sich und die beste Übersicht“, sagt er. Manchmal, verrät er, habe er nach Spielen auch mit seiner Stimme zu kämpfen, so sehr beansprucht er sie während der 90 Minuten.
Um auf dem Platz voll fokussiert zu sein, arbeitet Stojanovic einmal pro Woche übrigens auch im mentalen Bereich. In seiner England-Zeit hat er damit angefangen. Es geht dabei unter anderem um gewisse Atemübungen, die ihn zur Ruhe bringen. „Gerade als Torhüter ist man dazu verleitet, an die Konsequenzen seiner Aktionen zu denken“, sagt er. Denn ein Torwartfehler ist oft gleichbedeutend mit einem Gegentor. Doch damit sei man weg aus dem Fokus. „Es ist wichtig, dass du bei dir bist, dass du im Moment lebst“, weiß er. Die Übungen helfen ihm auf dem Platz, aber auch im Privaten. In beiden Bereichen warten nun aufregende Monate auf den Österreicher mit Nordmazedonischen Wurzeln. Stojanovic versprüht große Lust darauf.