Jan-Niklas Beste kam im Sommer 2020 per Leihe zum SSV Jahn – als Linksverteidiger. Inzwischen wurde er zum Offensivspieler umfunktioniert und überzeugte zu Saisonbeginn mit starken Leistungen. Dann warfen ihn – wie schon in den Jahren zuvor – Verletzungen zurück. Die Geschichte eines jungen Fußballers, der früh gelernt hat, mit dem Druck im Fußball umzugehen und der sich von Rückschlägen nicht unterkriegen lässt.
Ende August, die Jahnelf ist zu Gast im Millerntorstadion beim FC St. Pauli. Es ist das erste Mal in dieser Saison, dass bei einem Spiel der Jahnelf mehr als 10.000 Zuschauer in einem Stadion sind. In der 37. Minute, beim Stand von 0:0, wird es gefährlich vor dem Jahn Tor, am Ende kommt Leart Paqarada links im Strafraum zum Abschluss. Doch Jan-Niklas Beste ist herbeigeeilt, geht dazwischen und wird von Paqarada mit dem Fuß im Gesicht getroffen. Beste bleibt liegen, es gibt zurecht Freistoß für den SSV Jahn. Die St. Pauli-Fans pfeifen lautstark. Zwei Minuten später ist es Beste selbst, der im Mittelfeld einen Spieler der Gastgeber foult. Harmlos, aber für die Fans genügt es. Es ist der Moment, in dem er die Zuschauer am Millerntor gegen sich aufbringt – Beste wird fortan bei jedem seiner Ballkontakte ausgepfiffen.
Wenn Beste heute an dieses Spiel zurückdenkt, muss er schmunzeln. Er mag es, wenn im Stadion eine hitzige Atmosphäre herrscht – selbst wenn sie gegen seine Mannschaft oder sogar gegen ihn selbst gerichtet ist. „Man nimmt das auf dem Platz natürlich wahr. Mir macht es aber nichts aus, wenn man auswärts mal ausgepfiffen wird – im Gegenteil, das pusht sogar noch einmal zusätzlich“, sagt Beste und fügt hinzu: „Ich bin froh, dass ich damit umgehen kann.“
Dass der Außenbahnspieler der Jahnelf mit solchen Situationen, dass er mit dem Druck im Profifußball gut umgehen kann, hat seinen Ursprung womöglich schon in seiner Kinder- beziehungsweise Jugendzeit. Der kleine Niklas ist gerade einmal neun Jahre alt, als er von seinem Heimatverein in Hamm in den Nachwuchs von Borussia Dortmund wechselt. Und beim BVB geht es auch im Nachwuchs nur um eines: Gewinnen. „Da wird dir vor der Saison schon gesagt, dass du dieses Jahr Meister werden musst“, erinnert sich Beste.
Für ihn war es damals ganz normal. Heute denkt Beste etwas anders darüber. „Ich kannte es nie anders, bin mit dem gewissen Druck als Fußballer aufgewachsen. Aber wenn ich mit anderen Leuten darüber rede, wird mir klar: Das ist nicht normal, nicht in diesem Alter.“ Wenn Beste über diese Zeit redet, dann wird klar, was er schon als Jugendlicher für den Fußball in Kauf genommen hat. So gut wie täglich Training, Spiele schon damals wenn nötig unter großer Belastung. „Man wollte sich immer zeigen“, sagt er. Denn im Haifischbecken Leistungsfußball erscheint die Devise relativ simpel: „Entweder du kommst durch oder nicht. Entweder du schaffst es nach oben in den Profifußball oder du wirst fallen gelassen. Diese Spanne ist leider sehr groß“, findet Beste nachdenkliche und durchaus kritische Worte über das Geschäft. Nur die allerwenigsten Jugendspieler kommen am Ende im Profifußball an. Beste kennt zahlreiche Beispiele, die entweder früh Sportinvalide wurden oder die irgendwann aus Leistungsgründen durchs Raster gefallen sind.
Vieles für den Traum geopfert
Beste hat es geschafft, dafür hat er vieles geopfert. „Es gab für mich in der Jugend eigentlich nur Schule und Fußball“, berichtet er. In der Früh ging es aus dem Haus, bis 15 Uhr hatte er meistens Schule. Zu Hause angekommen, ging es gleich weiter nach Dortmund – in den ersten Jahren wurde er die knapp 40 Minuten lange Strecke von den Eltern gefahren, später kam er dann mit dem Zug zu den Einheiten. Nach dem Training war er gegen halb zehn wieder daheim, dann standen noch die Hausaufgaben an. Wenn Freunde Geburtstag feierten, musste Niklas meistens absagen. Training, Spiele – irgendwas war (fast) immer. Schon in den jüngsten Jahren geht es für die BVB-Nachwuchsteams zu internationalen Turnieren, im höheren Alter kommen neben den Liga-Spielen dann noch die Spiele in der UEFA Youth League dazu. Es ist ein immenses Pensum. Ein Pensum, in dem die einzelnen Ereignisse verschwimmen, in der vermeintliche Highlights als solche vielleicht gar nicht mehr wahrgenommen werden. Angesprochen auf zwei Siege mit der U19 des BVB gegen Real Madrid in der Youth League, kann sich Beste zum Beispiel nicht mehr wirklich daran erinnern.
Bestes Entwicklung ging am Ende der Jugendzeit steil nach oben. In der U16 wurde er – für ihn selbst überraschend – erstmals zur Juniorennationalmannschaft eingeladen und war anschließend immer wieder in den DFB-Auswahlteams dabei. In Dortmund war er Stammspieler und gewann mit dem Team in der B- und A-Jugend jeweils eine Meisterschaft. Der spielstarke Linksverteidiger machte damals so sehr auf sich aufmerksam, dass er unter Peter Bosz sogar ins Trainingslager der BVB-Profis reisen durfte und im August 2017 gegen Rielasingen in der ersten Runde des DFB-Pokals sein Profidebüt für den BVB gab. Für den langjährigen Dortmunder Jugendspieler natürlich „etwas ganz Besonderes.“ Auch in der Europa League schaffte es das Talent damals zweimal gegen Atalanta Bergamo in den Kader der Dortmunder, blieb aber ohne Einsatz.
Dann endete der Höhenflug relativ abrupt. Es folgte ein Trainerwechsel bei den BVB-Profis – Peter Stöger ersetzte Peter Bosz – und für Beste ging es zurück in die A-Jugend. Und es folgte Bestes erste schwerere Verletzung, ein Meniskusriss – das zweite A-Jugend-Jahr war gelaufen.
Wo andere aufstecken würden, wollte es Beste erst recht wissen...
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