Kreuzbandriss, Innenbandriss, Meniskus beschädigt. Oscar Schönfelder hat sich am Ende der Vorbereitung schwer verletzt. Wie er durch die Reha kommt und dabei dennoch positiv bleibt – die Jahnzeit hat ihn begleitet.
Der wohl schlimmste Moment, den man sich als Fußballer vorstellen kann, lag nur wenige Stunden zurück. In einer Situation, in der andere mit dem Schicksal hadern, alles verfluchen oder weinen würden, da war Oscar Schönfelder schon wieder positiv. So positiv, dass Tobias Rutzinger selbst überrascht davon war. "Das hat mir wirklich imponiert, wie schnell Oscar den Blick wieder nach vorne geworfen hat, wie schnell er in einer schweren Situation wieder positiv war", sagt der Physiotherapeut des SSV Jahn. Schönfelder hatte sich schwer am Knie verletzt.
In der Sommerpause war Schönfelder per Leihe vom Bundesliga-Aufsteiger SV Werder Bremen in die Oberpfalz gewechselt – mit großen Hoffnungen. Nachdem die Spielzeit in Bremen vergangene Saison erst in Ordnung war, aber dann immer weniger wurde, wollte er in Regensburg konstant auf Zweitliga-Niveau spielen. Als sich die Vorbereitung dem Ende zuneigte, konnte man in Schönfelder durchaus einen der Gewinner eben dieser sehen. Er rückte von der offensiven Mittelfeldposition auf die Linksverteidigerposition und machte dort seine Sache durchaus gut und hatte das Startelfdebüt vor Augen. Es folgte in der vorletzten Woche der Vorbereitung ein unglücklicher Zweikampf im Training in einer engen Spielform. Schönfelder stand auf seinem rechten Fuß, das Knie drückte sich nach innen und sprang dann wieder nach außen. „Bei dem Schwung, mit dem das Knie wieder nach außen gesprungen ist, war mir sofort klar, dass etwas Schlimmeres passiert sein muss“, erinnert er sich.
Schönfelder schrie auf dem Platz. Warum, weiß er heute nicht mehr genau. „Weh getan hat es im ersten Moment nicht“, sagt er. Vermutlich war es der Schock. Rutzinger kam auf den Platz und führte noch am Trainingsgelände die erste Untersuchung durch. Die Erstdiagnose ließ ihn an diesem 5. Juli schon nichts Gutes erahnen: Da ist etwas kaputt. Ab ins Auto und zu Mannschaftsarzt Dr. Andreas Harlass-Neuking in die Praxis. Die näheren Untersuchungen bestätigen den Anfangsverdacht. Das Kreuzband? Durch! Das Innenband? Durch! Der Meniskus? Ebenfalls beschädigt. Korbhenkelriss im Meniskus lautet die genaue Bezeichnung. Rund eine Woche später wird Schönfelder in Augsburg operiert. Der lange Weg zurück beginnt.
In Behandlung bei Klaus Eder: „Wenn’s weh tut, darfst mich schimpfen“
Ein Donnerstag Mitte August, die Operation liegt 29 Tage zurück. Schönfelder steht gegen 10 Uhr in seiner Wohnung nahe der Regensburger Innenstadt zur Abholung bereit. Seine Katze bleibt daheim, während es für ihn, mal wieder, nach Donaustauf geht. Zu diesem Zeitpunkt braucht Schönfelder noch Hilfe beim Einsteigen ins Auto und beim Aussteigen. Um halb 11 beginnt die Arbeit in Donaustauf. Klaus Eder, der langjährige Physiotherapeut der Fußball-Nationalmannschaft, ist es an diesem Tag selbst, der sich Schönfelder und dessen Knie genau anschaut. „Wenn’s weh tut, darfst mich schimpfen“, sagt Eder. Schönfelder schimpft nicht, seinem Gesicht nach zu urteilen sind die Bewegungen, die Eder mit seinem Knie durchführt, aber zumindest an der Grenze des Wehtuns. Eder zeigt sich zufrieden mit dem Verlauf der ersten Reha-Wochen und mit der Heilung der Narben.
Nach einer halben Stunde ist Klaus Eder fertig, bleiben knapp 20 Minuten bis zur nächsten Physio-Behandlung. Die Wege dort sind zwar kurz, mit Krücken und ohne Treppen steigen zu können, sieht die Welt aber etwas anders aus. Es sind diese Kleinigkeiten, mal schnell von A nach B zu kommen oder nachts eine schmerzfreie Schlafposition zu finden, über die sich ein gesunder Mensch kaum Gedanken macht, die Schönfelder nun aber vor Probleme stellen. „Man lernt die einfachen Dinge viel mehr zu schätzen“, sagt er.
Mit dem Aufzug geht es ins Erdgeschoss, dort steht ein Kühlungsgerät, das so kalt bläst, dass es an der Hand nach einiger Zeit richtig weh tut. Damit kühlt Schönfelder sein Knie. „So ein Gerät könnte ich daheim auch gut gebrauchen“, scherzt er. Nach dreieinhalb Minuten Kühlung rafft er sich wieder auf, zweimal ums Eck ins Behandlungszimmer von Michael Seidel, dem Physio, der sich beim SSV Jahn an Spieltagen meist um die U21-Spieler kümmert. „Bei Klaus Eder hat es nicht so weh getan, aber bei Mitch ist es immer schmerzhaft“, sagt Schönfelder schon im Voraus und lacht. Schönfelder verzieht das Gesicht, mal entweicht ihm ein Zischen. Aber er jammert nicht und lächelt die Schmerzen einfach weg. Auch Michael Seidel ist zufrieden damit, wie sich das Knie entwickelt. Dass Seidel viel am Rücken macht, wirkt auf den ersten Blick verwunderlich. „Aber das ist ein oft gemachter Fehler, dass nur die verletzte Stelle behandelt wird und der Körper nicht ganzheitlich gesehen wird“, erklärt er. Schließlich würden im Rückenmark ja alle Nerven zusammenlaufen. Seidel und Schönfelder verstehen sich blendend, scherzen und lachen miteinander. Ablenkung tut gut.
Fortschritte spürbar
Es läuft der zweite Monat der Reha, eine Phase, die Schönfelder noch relativ leichtfällt. Er merkt Fortschritte, mindestens wöchentlich, oft sogar täglich. „Das Knie ist inzwischen stark abgeschwollen, am meisten merkt man die Fortschritte in der Beweglichkeit, bei der Beugung und Streckung“, zählt er auf. „Dass es immer ein bisschen einfacher geht, immer ein bisschen mehr möglich ist, ist motivierend und zeigt, dass es vorangeht.“ Rund zwei Wochen später wird er die Krücken ablegen, in der insgesamt siebten Woche nach der OP. Wäre nur das Kreuzband beschädigt gewesen, hätte der Schritt schon deutlich früher erfolgen können, doch der Meniskus zögert es hinaus. Der Umfang seiner Wade und seines Oberschenkels haben seit der Verletzung bereits an Umfang eingebüßt. Immer wieder zeigt Schönfelder fast ungläubig, wie dünn sein rechtes Bein im Vergleich zum linken ist. Die Muskulatur gilt es in den nächsten Wochen konsequent wiederaufzubauen.
Schönfelder setzt sich kleine Ziele, realistische Ziele. Und freut sich, wenn sie erreicht werden. Ein erster Schritt war die gelungene OP. Die größten Schmerzen hatte er in der Woche nach der OP, inzwischen tut es nur noch punktuell weh, wenn er das Knie belastet. „Aber das ist ja auch ein gutes Zeichen, dass im Knie etwas passiert. Ganz ohne Schmerzen geht es nicht“, sagt Schönfelder. Ein nächster Schritt war, als die Fäden herauskamen. Dann konnte im Zwei-Wochen-Rhythmus die Schiene immer ein bisschen strecknäher eingestellt werden.
Die positive Einstellung Schönfelders heben viele im Umfeld hervor. So auch Mersad Selimbegovic. Der Jahn Chef-Trainer hat mit Schönfelder mitgefühlt, wie viele andere auch. Auch aus Bremen hat er viele Nachrichten bekommen, von Mitspielern, vom Co-Trainerteam, von Clemens Fritz, dem Leiter des Lizenzbereichs der Bremer. „Es ist schwer, so eine Verletzung zu erleben“, sagt Selimbegovic. „Du bist ausgeliehen, nimmst dir viel vor, gibst in der Vorbereitung Gas und bist einer der auffälligsten Spieler. Und dann bist du erst einmal lange raus.“ Doch wie Schönfelder damit umgeht, imponiert dem Coach: „Ich bin stolz, wie er damit umgeht. Er ist sehr positiv und blickt optimistisch nach vorne.“
Die ganze Titelgeschichte über Oscar Schönfelder lest Ihr in der aktuellen Ausgabe der Jahnzeit. Die September-Ausgabe der Jahnzeit ist wie gewohnt entstanden in Zusammenarbeit mit den Partnern Valentum Kommunikation GmbH (Layout), die printzen (Druck) & iHeft (multimediale Ausgabe). Das Corporate Design stammt von seitenwind. Die neue Jahnzeit in gedruckter Form ist auch im Jahn Fanshop am Jahnstadion Regensburg sowie im Jahn Onlineshop erhältlich.