Wegen der Halbfinalspiele im DFB-Pokal pausiert die 2. Bundesliga an diesem Wochenende und somit hat auch die Jahnelf spielfrei. Ein guter Zeitpunkt, um sich mit Chef-Trainer Mersad Selimbegovic zu unterhalten und die aktuelle Situation zu beleuchten. Im ersten Teil des Interviews spricht Selimbegovic über sein bisheriges Saisonfazit, die Personalsituation der Jahnelf und das Fehlen der Fans im Stadion.
Mersad, zur aktuellen Spielpause belegt die Jahnelf Platz 14 in der Tabelle. Wie fällt Dein Fazit der bisherigen Saison aus?
Mersad Selimbegovic: Ich würde sagen, es ist eine komplexe Saison, die uns sehr viel abverlangt, unter anderem mit unserer zweiwöchigen Quarantäne. Wir sind aktuell 14., ich sage aber: nur 14. Es gibt sicher Mannschaften, die gerne mit uns den Platz tauschen würden. Aber wir dürfen nicht zufrieden sein mit der Ausbeute - im Verhältnis zu dem, was wir geleistet und investiert haben und wie wir gespielt haben. Wir haben teilweise zu viele Geschenke verteilt und sind deshalb auch noch nicht am sicheren Ufer beziehungsweise bei unserem Ziel 40 Punkte angekommen. Wir wussten aber auch vor der Saison, dass das nicht einfach werden würde, denn die Liga wird von Jahr zu Jahr stärker und wir haben wieder viele junge Spieler geholt. Deshalb geht es auch um Entwicklung und das benötigt einfach Zeit. Bei den Punkten, die wir hergeschenkt haben, hat man gemerkt, dass wir teilweise noch ein bisschen grün hinter den Ohren sind.
Gibt es Situationen, in denen Du das besonders gemerkt hast?
Da wir uns ja gerade auf unser Spiel in Bochum vorbereiten, können wir uns das Hinspiel noch einmal vor Augen führen. Das haben wir durch einen schnell ausgeführten Freistoß verloren, weil wir einen kurzen Moment runtergefahren haben – und schon steht es 0:1, obwohl es eigentlich ein typisches 0:0-Spiel gewesen wäre. Oder wenn wir das Hinspiel in Düsseldorf nehmen, wo wir in den Schlussminuten zwei unnötige Gegentore kassieren und dadurch nur 2:2 spielen. Oder zuletzt gegen Heidenheim. Wir machen das Spiel und Heidenheim kommt durch eine Flanke zur Führung, weil wir wegziehen. Das sind Kleinigkeiten, die uns am Ende einige Punkte gekostet haben.
Eine positive Geschichte dieser Saison ist sicher bereits jetzt die Pokalreise bis ins Viertelfinale. Wie hast Du diese Pokalsaison erlebt?
Es waren tolle Erlebnisse für uns alle. Wir haben uns schon riesig gefreut, als wir die erste Runde überstanden hatten, denn bekanntlich hatte der Jahn oft schon in der ersten Runde Probleme. Und dann hat sich eine eigene Dynamik entwickelt, dass wir in allen Spielen selbstbewusst waren bis auf die Anfangsphase im Spiel gegen Bremen. Aber auch da waren wir am Ende am Drücker und hätten vielleicht die Sensation schaffen können. Das ist für den Jahn bisher etwas Einmaliges. Ich hoffe aber, dass wir diese Leistungen in den nächsten Jahren im Pokal auch wieder bestätigen können.
Man kann sich nur vorstellen, was im Stadion gegen Köln und Bremen mit Zuschauern losgewesen wäre. Die Jahnfans haben in den vergangenen Jahren einen wichtigen Teil zum sportlichen Erfolg geleistet. Wie viel hat ihr Fehlen in dieser Saison ausgemacht?
Das Fehlen der Fans tut uns schon sehr weh. Unser Spiel lebt von Emotionen. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir zum Beispiel zuletzt im Heimspiel gegen Hamburg ein volles Haus gehabt hätten, hätte der HSV diesen Punkt nicht mehr geholt. Das zieht sich durch die ganze Saison. Das soll keine Ausrede sein, aber man spürt schon, dass diese letzten Prozentpunkte, die uns immer wieder getragen haben, gefehlt haben. Die Zuschauer fehlen in anderen Stadien natürlich auch, aber dieses Zusammenspiel zwischen Zuschauern und Mannschaft, das sich in den vergangenen Jahren hier entwickelt hat, war schon etwas Spezielles und hat uns ein super gutes Gefühl gegeben. Ich hoffe sehr, dass schon zu Beginn der nächsten Saison wieder Fans im Stadion sein können.
Was genau fehlt dem Fußball ohne die Fans?
Das Herz. Man darf nicht vergessen: Jeder kleine Junge, der einem Ball hinterherjagt, denkt nicht daran, mit Fußball einmal viel Geld verdienen zu können. Der will nur vor vielen Zuschauern spielen. Ohne Fans sind deutlich weniger Emotionen dabei. Beispielsweise auch in der Champions League oder der Europa League gab es immer wieder komische Ergebnisse. Irgendwann reicht die Eigenmotivation auch auf dem Level bei manchem nicht mehr aus, sie brauchen diesen letzten Reiz der Zuschauer.
Im April hattet Ihr binnen 21 Tagen sechs Spiele zu absolvieren, mit dem Spiel in Kiel wären es sogar sieben gewesen. Wie anstrengend war dieses Pensum?
Es war sehr anstrengend. Vor allem, weil unser Spiel darauf ausgelegt ist, immer ans Limit zu gehen und alle Spieler einhundert Prozent erreichen müssen. Dazu hatten wir noch einige Ausfälle, sodass wir etwas weniger rotieren konnten. Das hat man am Ende gegen den HSV gespürt, dass die Körner etwas gefehlt haben, nachdem wir die ersten 45 Minuten mit viel Power dominiert haben.
Du hast die Ausfälle schon angesprochen. Wie sieht denn die Personalsituation derzeit aus?
Die Lage entspannt sich langsam aber sicher. Wastl Nachreiner tritt schon wieder gegen den Ball, auch Sebastian Stolze und Jann George sind individuell wieder auf dem Platz. Es sieht nicht schlecht aus, ist aber noch zu früh, um eine Prognose darüber abzugeben, ob es für die nächsten beiden Spiele reicht. Denn wir dürfen jetzt nichts überstürzen, denn bei einem erneuten Rückschlag wäre für jeden der drei die Saison definitiv vorbei. Albion Vrenezi ist wieder voll dabei und auch die Sperre von Jan-Niklas Beste ist abgelaufen, dafür fehlt Bene Gimber im nächsten Spiel wegen seiner fünften Gelben Karte.
Die Mannschaft bekommt während der Pause auch den einen oder anderen freien Tag. Wie gut tut diese Pause noch einmal vor dem Saisonendspurt?
Wir haben der Mannschaft Montag und Dienstag freigegeben. Einige, die sehr viel gespielt haben, haben auch am Mittwoch noch pausiert. Ich habe am Ende der Woche eine gute Energie gespürt und über das Wochenende bekommen die Spieler nochmal frei genauso wie am Mittwoch nächster Woche. Denn ab Montag ist es eine lange Woche bis zum Spiel am Sonntag. Die Pause tut uns sehr gut. Hier darf man auch die mentale Komponente nicht unterschätzen, denn es kostet viel Kraft, immer wieder hochzufahren, ohne einmal wirklich runterfahren zu können. Und unsere Spieler sind den Rhythmus der englischen Wochen nicht gewohnt. Deshalb ist es schon bemerkenswert, wie sie diese intensive Saison wegstecken.
Konntest Du die Zeit auch ein bisschen nutzen, um ein bisschen abzuschalten?
Als Trainer geht das nicht wirklich. Wenn die Mannschaft zwei freie Tage hat, heißt das nicht automatisch, dass der Chef-Trainer diese auch hat. Du musst in dieser Position bereit sein, das Leistungsvermögen durchzuziehen. Es geht um viele andere Sachen neben dem Training, die Belastungssteuerung muss beispielsweise genau geplant werden. Zudem steht aktuell schon die Kaderplanung für die neue Saison an.
Im zweiten Teil des Interviews, den Ihr hier findet, spricht Mersad Selimbegovic über das Restprogramm, die Offensive und Defensive der Jahnelf sowie sein Fazit nach fast zwei Jahren als Chef-Trainer des SSV Jahn.