Minos Gouras ist neu beim SSV Jahn, wechselte vom Drittligisten Saarbrücken in die Oberpfalz. Die 2. Liga ist Neuland für den Offensivspieler, dessen Profitraum schon einmal ausgeträumt schien. Ein Porträt über einen offenen Menschen, der gelernt hat, was es heißt Fußballprofi zu sein und mit einem Lächeln durchs Leben geht.
„Der Minos, der passt.“ Das ist nach den ersten Tagen der Vorbereitung das Zeugnis von Wastl Nachreiner über Neuzugang Minos Gouras. Dann schiebt er noch nach: „Der ist aufgeschlossen, nett und ganz lustig.“ Oft, ja fast durchgängig, hat Gouras im Gespräch ein breites Grinsen im Gesicht. Und er ist neugierig. „Wo genau haben sich die Spieler früher umgezogen?“, fragt er beim Vorbeigehen am alten Funktionsgebäude am Kaulbachweg. „Und da ist jetzt der Nachwuchs drin?“ Richtig. Gouras interessiert sich dafür, was der SSV Jahn für ein Verein ist, welche Entwicklung er in den vergangenen Jahren genommen hat. Auch mit Wastl Nachreiner hat er sich schon darüber unterhalten, beim Auslaufen nach einem der ersten Trainingseinheiten. „Wastl hat mir schon die eine oder andere Geschichte erzählt“, sagt Gouras.
Der 24 Jahre junge Deutsch-Grieche ist eines der neuen Gesichter der Jahnelf in der kommenden Saison. Mit dem Wechsel vom 1. FC Saarbrücken nach Regensburg wagt er den Schritt in die 2. Bundesliga. Und würde man sagen, Gouras hat richtig Lust auf diese Aufgabe, so wäre das eine regelrechte Untertreibung. Gouras sprüht nur so vor Tatendrang und Freude auf die neue Herausforderung. Nach den ersten Einheiten hat der Offensivspieler aber auch gleich gemerkt, was 2. Liga heißt. „Alles ist schneller, alles intensiver. Du musst noch schneller und präziser agieren“, sagt er. Die Beine waren nach den ersten Einheiten schon schwer.
Profitraum schien geplatzt
Dass er einmal in der 2. Bundesliga kicken würde, schien im Sommer 2015 allerdings weit weg zu sein. Damals platzte der Traum vom Profifußball vor dem inneren Auge des damals 16-Jährigen. Bundesligist SC Freiburg, bei dem er zwei Jahre lang im Nachwuchsleistungszentrum gespielt und viel gelernt hatte, übernahm ihn nicht in die nächste Altersstufe. Körperlich zu schmächtig, lautete das Urteil. „Als mir das mitgeteilt wurde, war ich gebrochen, habe auch geweint“, blickt Gouras zurück.
Doch Minos Gouras wäre nicht Minos Gouras, wenn er nicht schnell die Freude wiedergefunden hätte. Er wechselte in den Nachwuchs des FC-Astoria Walldorf, rund eine halbe Stunde Fahrtzeit von seinem Zuhause entfernt. Sein Vater wollte ihn wieder in der Nähe haben, nachdem der Ausflug nach Freiburg – Gouras hatte erst bei Gasteltern, dann im Internat und am Ende in einer WG gewohnt – zu Ende ging. Und in Walldorf fand der Teenager wieder das, was er in Zeiten des durchgetakteten NLZ-Alltags vielleicht auch ein Stück weit verloren hatte: Den Spaß am und die Lust auf Fußball.
Denn das war es, was Minos Gouras, aufgewachsen auf dem Dorf, immer zum Fußball getrieben hat. Schon als Kleinkind hat er den Ball für sich entdeckt, hat sich später im griechischen Restaurant „Zwiwwel“ seiner Eltern in Rödersheim-Gronau, in dem er als er älter war neben dem Fußball auch als Bedienung mitgeholfen hat, ein Tor aufgebaut und dort mit den Gästen gespielt. Und er war in einer Fußballschule sehr aktiv. Jürgen Nachtmann hatte diese gegründet und die besten Talente aus der Region dort versammelt. Die Älteren kickten mit den Jüngeren und die Jüngeren duellierten sich mit Älteren. Was alle vereinte war der Spaß am Fußball. Neun Jahre hat Gouras dort gekickt und Jürgen Nachtmann war so etwas wie ein zweiter Vater für ihn, erzählt er heute. „Er hat mir Tricks beigebracht und mir die Freude an diesem Spiel vermittelt“, sagt Gouras. 2013 ist Jürgen Nachtmann an einer Krankheit gestorben, seinen Todestag trägt Gouras als eines von mehreren Tattoos an seinem linken Bein, die für ihn alle eine große Bedeutung haben. Ebenso den Text „Dieser Weg wird kein leichter sein“ in griechischer Schrift. Das einzige Lied, das Gouras komplett auswendig kann, weil er es als Kind immer zusammen mit Jürgen Nachtmann gesungen hat.
Entwicklung in Walldorf und Saarbrücken
Jürgen Nachtmann wäre sicher stolz gewesen, den weiteren Weg von Gouras zu verfolgen. Bei Astoria Walldorf entwickelte sich der talentierte Kicker prächtig, kam vorzeitig in die zweite Mannschaft und früher als geplant in die erste Mannschaft. Der Traum von einer Profikarriere kehrte langsam aber sicher zurück.
Fünf Jahre spielte Gouras in Walldorf, dann klopfte Drittligist Saarbrücken an. Mit Trainer Lukas Kwasniok lag er sofort auf einer Wellenlänge und entschied sich zum Wechsel, ohne sich die Bedingungen vor Ort anzuschauen. „Ich habe dem Trainer blind vertraut“, sagt Gouras und wurde nicht enttäuscht. Gleich im ersten Saisonspiel kam er zum Einsatz und war damit im Profifußball angekommen. Ein dreifacher Bruch am Schlüsselbein zwang ihn zwar zu einer zweimonatigen Pause, doch das bremste seine Entwicklung nicht. Gouras entwickelte sich zum Stammspieler und machte mit sechs Toren innerhalb einer Englischen Woche weit über die Saarbrücker Stadtgrenzen hinaus auf sich aufmerksam: Gegen Verl, Duisburg und Uerdingen gelang ihm jeweils ein Doppelpack. Sein Sturmpartner damals: „Shiplock“, wie er ihn nennt – Nicklas Shipnoski.
Gouras ist jemand, der solche Momente genießt, klar. Er hat aber auch ein Umfeld, das ihn schnell auf den Boden zurückgeholt hat. „Das hat nicht lange gedauert“, sagt Gouras und lächelt. Seine Familie, Minos hat eine jüngere Schwester und einen jüngeren Bruder, sein Berater und sein seit vielen Jahren bester Kumpel zählt er zu dem Kreis, der ihm am wichtigsten ist. Das sind die Personen, die ihn aufgefangen haben, als die Zeit in Freiburg zu Ende ging, und die Personen, die auch die Sechs-Tore-Woche richtig einzuordnen wussten.
Kein Tag ohne Fußball
Es sind aber auch diese Momente, für die man Fußball spielt und für die Gouras als Kind immer dem Ball hinterhergejagt ist. War er nicht in der Fußballschule, dann ging es mit den Kumpels auf den Bolzplatz. An einen Tag ohne Fußball kann sich der 24-Jährige nicht erinnern. Als Bolzplatzkicker will er sich dennoch nicht bezeichnen. „Aber was mir meine Kindheit gegeben hat, war zweifelsfrei die Freude am Fußball. Ich bin immer gern zum Training gegangen und habe gern mit meinen Freunden gespielt.“
Wichtig war ihm dabei immer, dass er selbst besser wurde. Es ging ihm um Entwicklung, er wollte lernen. Auch heute noch ist ihm das Training und die persönliche Weiterentwicklung sehr wichtig. Ein wichtiger Grund, warum er sich für den SSV Jahn entschieden hat. „Als ich mit Mersad Selimbegovic und Roger Stilz zusammensaß, haben sie mir genau die Stärken, aber auch die Entwicklungsfelder aufgezeigt, die ich auch selbst bei mir sehe und mir erklärt, wie sie mich entwickeln wollen. Das hat mich überzeugt.“ Was diese Defizite sind, ist augenscheinlich, wenn man Minos Gouras vor sich sieht. „Ich bin immer noch sehr schmächtig, das ist kein Geheimnis“, sagt er. Grundlegend verändern kann er das nicht, aber er will daran arbeiten, dass er körperlich stabiler wird. Was der Ehrgeiz in ihm auslösen kann, hat sich übrigens auch nach dem Ende des Freiburg-Kapitels gezeigt: Gouras meldete sich mit seinem besten Kumpel im Fitnessstudio an und trainierte oft um 23 Uhr oder 1 Uhr nachts. Statt aufzustecken, hat er mehr gemacht.
In Walldorf und Saarbrücken hat Gouras für sich dann auch gemerkt, was es heißt, professionell Fußball zu spielen. Früher habe er schon einmal einen Tritt in den Hintern brauchen können. Er war aber auch immer jemand, der das angenommen hat, der mit Kritik umgehen konnte. „In Walldorf und Saarbrücken habe ich dann mehr Eigenverantwortung entwickelt, bin mit dem Alter reifer geworden. Jetzt bin ich 24 und weiß, was ich zu tun habe.“
Niveau und Intensität annehmen
Auf die Zeit beim SSV Jahn freut sich Gouras nun sehr. Ohnehin ist er ein Typ, der gerne im Moment lebt. Auch eines seiner Tattoos, eine Treppe verbunden mit einer Uhr, die 9:57 Uhr anzeigt, die Uhrzeit seiner Geburt. Dieses Tattoo soll ein Zeichen dafür sein, dass er immer mit der Zeit gehen möchte. Das Hier und Jetzt bedeutet für ihn, dass er arbeiten muss, dass er das Zweitliga-Niveau und die Intensität der Jahn Spielweise annehmen muss. Dass er eine gewisse Zeit brauchen wird, ist Gouras bewusst. Gleichzeitig ist er davon überzeugt, dass er es packen kann. „Ich bin jemand, der sich immer klare Ziele setzt und hart daran arbeitet.“ Das Ziel beim Jahn lautet, dass er sich durchboxen und so viel Spielzeit wie möglich sammeln möchte.
Großen Druck verspürt der dabei aber nicht. „Ich mache mir nicht viel Druck, kann damit gut umgehen. Ich bin nicht verklemmt, sondern spiele frei auf und spiele so, wie ich bin. Der Rest kommt von alleine.“ Auf dem Platz zeichnet Gouras eine gewisse Leichtigkeit und Unbeschwertheit aus. „Ich bin ein schneller Spieler, gehe gerne in die Tiefe und habe einen Drang zum Tor“, sagt er. Wenn er nun körperlich noch nachlegen kann, dann will er seine Stärken ins Team einbringen. „Ich bin auf dem Platz schon ein ekliger Typ, bin auch ein bisschen frech und kann den Gegner nerven. Dazu mag ich die Tiefenläufe in die Box. Das will ich in die Mannschaft einbringen.“
Neben dem Sportlichen will Gouras, der gerne selbst kocht und übrigens noch nie in einem anderen griechischen Restaurant als dem seiner Eltern war, auch seine Lockerheit ins Team einbringen. „Ich bin ein offener Typ, rede gerne mit jedem, mag auch den Kontakt zu den Fans, gehe auf andere zu. Ich bin nicht ganz so verrückt wie Konni Faber, aber es geht schon in diese Richtung“, sagt er und lacht laut. Dabei ist Gouras aber um die richtige Balance bemüht: „Ich nehme die Sachen schon sehr ernst und arbeite gewissenhaft, aber eben doch auch immer mit einem gewissen Lächeln.“ Minos Gouras, das merkt man in jedem Moment, hat Lust auf den Jahn und auf die 2. Liga. Nun will er weiter überzeugen, dass in ein paar Monaten nicht nur Wastl Nachreiner sagt: „Der Minos, der passt.“