Für Jahn Stürmer David Otto ging es in seiner Karriere lange nur bergauf. In den letzten Jahren gab es allerdings Phasen, in denen es stockte. Die Geschichte eines jungen Fußballers, der sehr reflektiert ist und nach der nötigen Gelassenheit sucht, die ihm die nächsten Schritte ermöglichen soll.
David Otto sitzt während der Länderspielpause Ende Januar im neuen Funktionsgebäude der Jahn Profis am Trainingsgelände. Er nimmt sich viel Zeit, ordnet seinen bisherigen Weg ein – beim Jahn und insgesamt im Fußball. Wenn er spricht, wirkt er sehr aufgeräumt, sehr reflektiert. Nicht wie ein gerade einmal 22 Jahre junger Fußballer.
Am Wochenende zuvor, bei der Heimniederlage der Jahnelf gegen Holstein Kiel, durfte er erstmals wieder spielen. 17 Minuten, ein Kurzeinsatz, immerhin. Nach seiner Roten Karte im Auswärtsspiel beim 1. FC Heidenheim musste der Stürmer zuvor drei Pflichtspiele aussetzen, genau in diese Sperre fiel zudem die Winterpause, auch wenn diese dieses Mal sehr kurz ausfiel. Sieben Wochen bestritt er dadurch kein Pflichtspiel mehr. David Otto hat die Zeit genutzt, wie er erzählt. Vollgas im Training, auch mal mehr gemacht als gewöhnlich. Mit Individualtrainer Markus Palionis hat er nach Trainingsende manchmal noch zusätzlich Torschüsse geübt. 40, 50 Torschüsse mehr pro Woche. „Bei normaler Belastungssteuerung würde das nicht gehen, sonst wäre ich müde oder das Verletzungsrisiko wäre zu hoch“, sagt Otto. „In dieser Zeit war es egal, wenn ich am Wochenende müde war. Für mich gab es ja kein Spiel.“
Ob die Rote Karte gerechtfertigt war, ob der gegnerische Spieler vielleicht auch viel aus der Aktion gemacht hat und es Gelb auch getan hätte? Ob er sich über sich selbst ärgerte? Überlegungen, mit denen sich Otto nur ganz am Anfang beschäftigt hat. „Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich sage, es ist alles scheiße. Das bringt dich aber nicht weiter. Also habe ich es in positive Gedanken umgewandelt und mir gedacht: Okay, ich habe einige Wochen Pause. Aber zumindest bin ich dieses Mal nicht verletzt. Ich bin fit und kann richtig arbeiten, die Zeit nutzen.“
Sportverrückte Familie
David Otto ist jemand, der immer viel an sich gearbeitet hat, der immer selbstkritisch war und sich entwickeln wollte. Er ist in Birkenfeld aufgewachsen, einem kleinen Ort in Baden-Württemberg, rund 10.000 Einwohner. Er hatte eine gut behütete Kindheit, wie er sagt. Nach der Schule wurde im Elternhaus der Freunde am Festnetz angerufen und gefragt, ob diese denn Zeit hätten. Kommunikation per Smartphone gab es für ihn damals noch nicht. Es war dieses Unbeschwerte, das Otto damals viel Spaß gemacht hat. Er hat nicht nur Fußball gespielt. Handball war die zweite Leidenschaft, auch geturnt und geritten ist er. Basis dafür ist eine sportverrückte Familie mit zwei Eltern, die selbst Sportlehrer sind und viel Sport, vor allem Leichtathletik, gemacht haben. Davids jüngere Schwester Annika turnt, einer seiner Cousins, Nico Schöttle, ist Handballprofi in der Bundesliga beim TVB Stuttgart.
Priorität hatte für David Otto dabei immer der Fußball. Sobald es ging, Otto war da gerade einmal drei oder vier Jahre alt, fing er beim 1. FC 08 Birkenfeld an im Verein zu kicken. Die ersten Jahre natürlich nur zum Spaß. Viele Jahre war sein Vater Dietmar sein Trainer. Nach den Einheiten oder Spielen haben sie sich immer noch individuell ausgetauscht: Was war gut, was geht besser? Schnell hat David Otto gemerkt, dass er zu den talentiertesten Fußballern zählt. Gespielt hat er damals noch im Mittelfeld. Er hat sich in der Abwehr den Ball geholt, sich mit zwei, drei Mitspielern durchkombiniert und dann vorne die Tore gemacht. Er kam an den Stützpunkt und in die badische Auswahl. Hier hatte der Fußball für ihn erstmals nicht mehr nur mit Spaß zu tun. Der Ton wurde rauer, die Trainer fordernder. Mitspieler aus dem Verein, die auch am Stützpunkt dabei waren, verließen diesen wieder. Otto blieb. „Mir hat es nichts ausgemacht, wenn die Trainer einmal strenger waren. Ich war ja für mich da, um persönlich besser zu werden“, blickt er zurück.
Weil Otto bis hoch in die badische Auswahl zu den Besten gehörte, wurden die Profivereine ringsum aufmerksam auf ihn. Der Karlsruher SC lud ihn zum Probetraining ein, ebenso die TSG 1899 Hoffenheim. Nach dem Probetraining bei beiden Clubs war für David Otto klar: Ich will nur nach Hoffenheim. Trotz mehr als doppelt so großer Entfernung. Der Wunsch des Sohnes sorgte für größere Diskussionen im Hause Otto, wie David rückblickend erzählt. Denn der Fahrservice konnte von den Eltern nicht geleistet werden, mehrmals die Woche einfach 85 Kilometer nach Hoffenheim und zurück. Doch David blieb beharrlich. So lange, bis sich auch die Oma bereit erklärte, Fahrten zu übernehmen und er somit nach Hoffenheim wechseln durfte. Am Ende musste die Familie gar nicht fahren, weil es einen Fahrservice des Vereins gab. Dass sie es dennoch auf sich genommen hätten, rechnet David Otto seiner Familie bis heute hoch an.
Schule & Fußball
Ins Internat zu ziehen, war dabei nie eine Option für David Otto. Sehr bewusst entschied er sich dafür, im gewohnten Umfeld daheim zu bleiben. Auch wenn der Aufwand groß war, konnte er somit Schule und Fußball am besten verbinden, wie er rückblickend einschätzt. Denn David Otto musste neben dem Unterricht nicht viel zusätzlich für die Schule machen. Wenn es die Lehrer im Unterricht gut erklärt haben, hat er es schnell verstanden. Am Ende hat er die Schule gut abgeschlossen und sein Abitur mit 1,8 gemacht. Das war auch Voraussetzung seiner Eltern, beide Lehrer, damit er seinen Traum vom Fußballprofi vorantreiben durfte.
Was Leistungsfußball bedeutet, lernte Otto in Hoffenheim schnell und hart. Im ersten Jahr dort hatte die Familie einen Urlaub gebucht, David war dabei. Als er zurück ins Training kam, durfte er die ersten beiden Spiele nicht spielen. Im Leistungsfußball ist Urlaub während der Saison nicht vorgesehen. „Am Anfang ist das schon hart und tut auch weh“, sagt Otto. Aber sein Schluss war, dass er die nächsten Jahre nicht mehr mit der Familie in den Urlaub fuhr, auch wenn er davor gerne und regelmäßig im Urlaub war. Auch auf andere Sachen musste er im Laufe der Jugend verzichten, zum Beispiel als die Freunde auf die ersten Partys gingen. „Aber mir machte das nichts aus. Der Fußball war für mich immer ein größerer Antrieb. Ich wollte es so.“
Für David Otto ging es in seiner Karriere lange nur nach oben. Er benutzt das Bild einer Treppe. Wie auf einer Treppe ging es für ihn jahrelang stetig bergauf, immer eine Stufe höher...
Das ausführliche Porträt über David Otto lest Ihr in der neuen Ausgabe der Jahnzeit. Die Februar-Ausgabe ist wie gewohnt entstanden in Zusammenarbeit mit den Partnern Valentum Kommunikation GmbH (Layout), die printzen (Druck) & iHeft (multimediale Ausgabe). Das Corporate Design stammt von seitenwind. Die neue Jahnzeit in gedruckter Form ist auch im Jahn Fanshop am Jahnstadion Regensburg sowie im Jahn Onlineshop erhältlich.